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Die Sache mit dem Weg

Seit geraumer Zeit kommt ein nettes Ehepaar einmal wöchentlich zum Qigong-Unterricht in den freiRAUM. Vor einigen Tagen brachten sie mir ein Kartenset mit Fragen und inspirierenden Sprüchen für Coaches und Berater : "Hier schau´ mal rein. Das ist ganz gut." Und tatsächlich. Es handelte sich nicht um Sprüche der Kategorie "Kühlschranksprüche". Schon etwas "deeper". Ich hoffe Du weißt, was ich meine.

Neugierig schaute ich mir den umfangreichen Inhalt an und wie von Zauberhand blieb eine Karte an meinen Händen kleben. Ein Zitat von Reinhard Sprenger, einem Managementautor:

 

"Nicht Ziele halten Menschen zusammen, sondern Wege." 

 

Hmmmh, der Satz wirkte lange in mir nach und viele Assoziationen tauchten auf. 

 

Na klar, vor einigen Jahren habe ich mich entschieden, den Weg des Taiji, den Weg des Wudang Xuanwu Pai zu gehen und so tief in die Kunst der inneren Kampfkünste einzutauchen.

Mir fiel mein großer Gongfu-Bruder Jo Augustin aus Mülheim ein. Jo geht wie auch meine anderen älteren und jüngeren Brüder und Schwestern diesen Weg. Jo spricht gerne von Weggefährten. Ich kann mir vorstellen, dass der Satz von Reinhard Sprenger auch diese Bedeutungsebene beinhaltet. So gesehen gehen wir im Wudang Xuanwu Pai alle einen speziellen Weg. Wir machen Erfahrungen und unterstützen uns gegenseitig beim Lernen und Überwinden von Hindernissen auf dem Weg. Die Gewissheit, dass vor uns bereits 15 Generationen diesen Weg gegangen sind stärkt auf einer ganz tiefen Ebene. Sie alle sind diesen Weg gegangen. 

 

Doch sind sie wirklich alle den genau gleichen Weg gegangen oder doch eher einen ähnlichen jedoch durchaus unterschiedlichen Weg, weil doch alle auch sehr unterschiedliche Persönlichkeiten und Schwerpunkte ihrer Arbeit haben ?

Ich würde sagen: "Sowohl als auch." Aus einer Perspektive betrachtet mögen die beschrittenen Wege durchaus verschieden aussehen. Jeder interpretiert den Weg durch das individuelle Training unterschiedlich. Aus einer anderen Perspektive betrachtet, kann der Weg auch als ein Weg der Transformation gesehen werden. Dieser hat dann wiederum einen mehr universellen Charakter.

 

"Nicht Ziele halten Menschen zusammen, sondern Wege." 

 

Wege verbinden..., Wege verbinden Orte... und Menschen. Wege halten Menschen zusammen.

 

Es fühlt sich so gut an, mit anderen Menschen, mit Weggefährten auf dem Weg zu sein.

 

 

Nachdem ich die Karte aus dem Set des Ehepaars gelesen hatte tauchte nach einiger Zeit eine weitere Assoziation auf:

Erfolg haben wir, wenn wir Ziele erreichen. Dieses ist ja immer wieder auch richtig und wichtig.

Jedoch auf dem Weg zu sein und immer wieder ungeahnte und schöne Erfahrungen zu machen hat noch eine andere Qualität und eher den Geschmack von dem, was wir als Glück bezeichnen können. Natürlich sind die meisten von uns gerne erfolgreich. Aber wie häufig kommt das Erfolgserlebnis denn wirklich vor ? Im Vergleich dazu bietet der Weg eine beinahe verschwenderisch und unermesslich große Anzahl an mehr oder weniger offensichtlichen Samen des Glücks, welche nur darauf warten von uns entdeckt und erfahren zu werden...auf dass diese einen Moment lang groß werden.

 

Vielleicht nähern wir uns so bereits einer Bedeutungsebene des vielfach bemühten Ausspruchs "Der Weg ist das Ziel".

Sozusagen ein Plädoyer für mehr erfahrbares Glück...  

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Kommentare: 1
  • #1

    Philipp (Freitag, 11 August 2023 06:06)

    Eine sehr schöne Interpretation. Sie passt irgendwie auch wieder sehr gut zu meiner Situation und meiner letzten Beratungs-Stunde. Ich denke auch, ein Ziel zu Erreichen, dieser Moment ist etwas besonderes. Aber der Moment ist auch so schnell wieder vorbei wie er gekommen ist. Der Weg dorthin ist meistens so interessant und von so vielen Momenten und Begegnungen gepflastert. Dieses Motto nehme ich definitiv in mir auf. Danke Ingo.